Apotheker Alexander Hildebrandt über sein Selbstverständnis als Apotheker und seinen Ansatz, eine moderne Apotheke zu führen
Herr Hildebrandt, schön, dass Sie sich Zeit genommen haben.
Wir starten direkt mit einer leichten Frage. Warum sind Sie Apotheker geworden?
Ich habe zuerst BWL studiert und schnell festgestellt, dass da etwas fehlte. Ich hatte immer den Antrieb, selbstständig zu arbeiten und eigenverantwortlich zu handeln. Handeln im wahrsten Sinne des Wortes: kaufen und verkaufen. Meine heutige Apotheke ist die Apotheke von meiner Mutter, die ich vor einigen Jahren übernommen habe. Daher hatte ich früh Kontakt zur Branche und so stellte sich auch irgendwann die Frage: Pharmazie, ist das was für mich? Die Antwort war ja, denn da konnte ich mich selbstständig machen und kreativ sein mit meinen eigenen Ideen, mit einem eigenen Marketing. Das Wissensgebiet Pharmazie ist auch sehr spannend und interessant. Man macht etwas für die Menschen und muss gleichzeitig wirtschaftlich handeln. Das hat mich gereizt.
Verstehen Sie sich dann mehr als Apotheker oder mehr als Ökonom?
Das hält sich die Waage (lacht). Ich habe nur die eine Apotheke und plane auch keine weitere Filiale. Aber ich habe eben auch 17 Angestellte, es ist also keine kleine Apotheke. Wir machen hier alles: Von der Rezeptur, über Kompressionsstrümpfe, Medikamentenabgabe, Pflegehilfsmittel, Onlineshop, Automatenabholung, App, Click & Collect, Plattformen … das ganze Programm. Ich kenne auch viele andere Apotheken, zum Beispiel durch Vertretungen. So eine kleine klassische Landapotheke mit drei Angestellten hat natürlich auch ihren Reiz, aber mir bringt es eben Spaß, Neues und Innovatives auszuprobieren.
Was ist heute anders als vor 20 Jahren, als Ihre Mutter noch die Apotheke geführt hat?
Damals war alles anders. Da gab es in den Apotheken auch noch größtenteils keine Computer. In den Schüben lagen immer
diese Kärtchen, die man herausnehmen musste, wenn man ein Medikament entnommen hat. Das habe ich früher bei Vertretungen selbst noch so gemacht. Ich wusste nur nicht, dass man diese Medikamente auch nachbestellen muss und dann haben sich alle gewundert, dass die Fächer irgendwann alle leer waren (lacht). Das ist heute alles automatisiert und neben der Medikamentenabgabe sind viele andere Dienstleistungen und digitale Angebote in den Apotheken dazugekommen.
Was ist das Besondere an Ihrer Apotheke?
Ich nutze einfach alle Möglichkeiten, die es heute online und offline gibt und biete damit eine breite Palette an Services an. Natürlich auch die für den Patienten kostenlosen Dienstleistungen, die die Kasse übernimmt, wie Inkontinenzprodukte und Pflegehilfsmittel. Ich habe aber auch eine Versandapothekenlizenz. Ich bin selbst ein typischer Onlinekäufer, deshalb glaube ich, dass man auch als Vor-Ort-Apotheke heute breiter aufgestellt sein sollte. Manchmal wundere ich mich, dass bestimmte Kunden überhaupt noch physisch in meine Apotheke kommen (lacht). Ich freue mich aber natürlich mehr darüber, vor Ort persönlich mit einer Person zu sprechen als nur per Video. Aber für mich sind die ganzen zusätzlichen digitalen Angebote mittlerweile Standard und nichts Besonderes. Das gehört heute doch einfach dazu, oder?
Wenn man sich viele andere Apotheken anschaut, dann sind diese Aktivitäten und Ihre Angebote auf allen Kanälen schon etwas Besonderes. Sie sind darüber hinaus auch im Netz sehr aktiv.
Ja, das stimmt. Ich nutze Social Media-Kanäle wie Facebook und Instagram. Meine Facebook-Gruppe „Netzwerk für ApothekerInnen und HeilberuflerInnen“ hat beispielsweise über 5.000 Mitglieder. Hier bin ich selbst sehr aktiv. Wir haben aber mittlerweile auch mehrere Moderatoren, die die Diskussionen leiten und die Mitglieder managen. Das ist viel Arbeit, die aber einen interessanten Austausch bringt. Während der Pandemie hat die Gruppe richtig Zulauf bekommen und das ist bei vielen Fragestellungen auch sehr hilfreich.
Sie nutzen viele verschiedene Vertriebskanäle. Warum?
Heute haben die Kunden unterschiedliche Ansprüche und Bedürfnisse. Ich biete für alle etwas an: Mein Hauptgeschäft
sind immer noch die Kunden vor Ort, aber ich nutze auch Gesundheitsnetzwerke, kooperiere mit Pflegediensten und
Pflegeheimen, arbeite mit Suchmaschinen (zum Beispiel Google Shopping), biete Click and Collect an und habe einen Onlineshop. Außerdem habe ich einen Abholautomaten mit 60 Fächern, den habe ich kurz vor der Coronapandemie angeschafft. Man muss einfach Dinge ausprobieren und den Patienten Möglichkeiten anbieten und man sollte nicht an alles nur rein wirtschaftlich herangehen und sich fragen, ob sich das eine jetzt ganz konkret rechnet. Es kommt auf das Gesamtangebot und die Kundenansprache an. Man ist dann einfach flexibler.
Sie nutzen auch Angebote der Apothekenkooperation WAVE. Was schätzen Sie daran?
Zu WAVE bin ich eher zufällig gekommen. Ich habe zunächst mit einem anderen Shopanbieter zusammengearbeitet, aber das hat nicht gut funktioniert. Dann habe ich die Leistungen von WAVE für mich entdeckt und bin sehr zufrieden. Ich nutze aber auch noch andere Angebote als den eShop wie beispielsweise apo2print zur Erstellung von Broschüren und Katalogen, das ist auch klasse. Ich habe aktuell einen Katalog mit Angeboten und das funktioniert richtig gut! Außerdem habe ich mit WAVE jetzt meine eigene Apotheken-App. Wenn es bei WAVE etwas Neues gibt, dann teste ich das immer gerne als Erster aus. Das macht einfach Spaß (lacht).
… und es ist ja auch zukunftsfähig …
Ja, genau. Ich finde es wichtig, dass man seine eigene Apotheke in den Mittelpunkt stellt und stärkt. Auch wenn man andere
Plattformen nutzt, ist es sinnvoll, die eigene App, die eigene Homepage zu fördern, denn bei den Fremdanbietern weiß man
ja nie, wie sich dort die Gebühren entwickeln oder ob dir die Kunden irgendwann abwandern.
Sie nutzen auch die Onlineakademie von WAVE. Was gefällt Ihnen daran?
Die Akademie ist echt klasse. Ich habe allen meinen Mitarbeiter/innen einen Zugang eingerichtet und wir
nutzen das Angebot häufig. Im Endeffekt auch besonders wegen der Pflichtschulungen, das ist sehr praktisch. So ist das Thema schnell abgehakt und man ist immer auf dem neusten Stand.
Ist das E-Rezept ein Meilenstein? Was wird sich verändern?
Am Anfang wird sich für die Patientinnen und Patienten noch nicht so viel ändern. Sie werden statt des gewohnten Rezepts
den QR-Code ausgedruckt bekommen und diesen zu der Apotheke schicken oder vor Ort einlösen. Der Vorteil ist, dass
man nicht mehr das Originalrezept einreichen muss, so wie es momentan noch ist. Außerdem wird es dann eine Art „Wettstreit“ um das Rezept geben. Derjenige, der den QR-Code als Erster einscannt, kann das Rezept für sich beanspruchen und das Medikament ausliefern, da heißt es dann schnell sein. Darauf bin ich schon vorbereitet. Ich habe einen Backoffice-
Bereich, den wir jetzt auch noch mal vergrößern und umbauen. Hier sitzt den ganzen Tag jemand und bearbeitet Bestellungen und Anfragen, die über die verschiedenen Kanäle hereinkommen. Zum Glück habe ich gute und engagierte Mitarbeiter/innen. Das ist bei dem Personalmangel in der Branche heute keine Selbstverständlichkeit.
Welche Herausforderungen sehen Sie für Apotheken bei dem E-Rezept?
Vieles ist leider noch unklar und auch umständlich. Als Apotheke muss man sich beispielsweise selbst darum kümmern, dass
man in den verschiedenen Apps von den Krankenkassen gelistet ist. Das muss man aktiv anstoßen und das Softwarehaus, mit dem man zusammenarbeitet, muss ebenso damit verknüpft sein. Das ist im Moment alles noch recht kleinteilig.
Was wünschen Sie sich von der Politik?
Mehr Sicherheit, weniger Bürokratie, weniger Verwaltungsaufwand. Und, dass sie uns mehr zutrauen! Erste vorsichtige
Schritte gab es in diese Richtung mit der Pille danach, meines Erachtens könnte man es noch auf andere Bereiche ausweiten, zum Beispiel eingeschränkt bei bestimmten Antibiotika. Dann schreien die Ärzte wieder, wir wollen dann aber auch Medikamente abgeben. Dann sage ich, dann mach doch! Wenn ihr alle
Voraussetzungen erfüllt, dann macht das. Der Aufwand ist so hoch, das hat sich aus meiner Sicht dann schnell wieder erledigt. Generell denke ich, man sollte bestimmte Restriktionen mal überdenken und insgesamt aufgeschlossener sein.
Momentan steht das Thema „Impfen in der Apotheke“ wieder im Fokus. Machen Sie da mit?
Na klar. Man braucht dann natürlich die Räume und das entsprechende Personal. Aber man kann das ja auch in Kooperation machen. Ich hatte schon im November 2021 dem Stadtrat vor Ort vorgeschlagen, dass wir ein Impfzentrum speziell für Kinder und Jugendliche aufbauen könnten. So etwas braucht in der Regel ein bisschen Vorlauf. Dann kam die Antwort: Nein, das ist nicht nötig und ein paar Wochen später sind die Zahlen dann durch die Decke gegangen.
Wie sieht die Apotheke 2050 aus?
Auf jeden Fall anders (lacht). Es wird sicherlich noch mehr Services wie Telepharmazie geben, wie das heute auch schon
von WAVE als Baustein angeboten wird. Bestimmt wird auch verstärkt medizinische Beratung von Onlineärzten genutzt,
die anschließend direkt online Rezepte ausstellen und über die Versandapotheke verschicken lassen. Aber wie es auch immer wird, ich glaube, die Vor-Ort-Apotheke wird es trotz dieser Möglichkeiten auch 2050 immer noch geben.